Stadt von unten

Karl hielt Wache während Nina den Müll durchwühlte. Oskar stand daneben und reinigte seine Schnurrbarthaare.

»Wird es wirklich Krieg geben?«, fragte Karl?

»Ach, es gibt ein bißchen Streit und dann ist wieder Ruhe«, antwortete Oskar. »So war es immer.«

Karl spähte angestrengt die Gasse entlang. In der Richtung war der Stamm von Reginald, mit denen sie verfeindet waren.

»Wie auch immer, wir brauchen bessere Vorräte«, sagte Nina und erschien mit einem Wurstende in der Schnauze.

Es wurden Schritte hörbar als jemand in die Gasse einbog. Die drei Ratten verkrochen sich in den Schatten und Ritzen. Ein zweibeiniger Riese stapfte durch die Gasse in Richtung von Reginalds Territorium.

Karl kam vorsichtig ins Freie nachdem der Riese an ihnen vorüber war.

Aus einem kaputten Kellerfenster weiter unten in der Gasse kam eine andere Schnauze hervor. Ein Rattenkörper folgte. Die Ratte sah sich um und wandte sich wieder dem Fenster zu. Eine zweite Ratte erschien, eine dritte humpelte heraus. Die dritte Ratte hatte Bissspuren und blutete. Den Abschluß bildete eine ältere Ratte.

Die vier Ratten kampen auf Karl und seine Begleiter zu. Oskar fletschte die Zähne und zeigte sich kampflustig. Die vier Neuankömmlinge bemerkten sie und hielten.

»Wir brauchen Hilfe«, sagte die erste Ratte, ein Weibchen. »Wir wurden von Reginalds Stamm angegriffen. Sie behaupteten wir sind Spione von Katharina. Seid ihr Katharinas Stamm?«

Karl nickte. »Woher wissen wir ob ihr nicht Spione von Reginald seid?«, fragte Oskar misstrauisch.

»Wir sind Forscher«, sagte die ältere Ratte. »Wir durchwandern die gesamte Stadt und schauen uns alles an. Mein Name ist Professor Murina. Nicola Murina.«

Nachnamen waren selten unter Ratten, meistens wurden die Ratten durch ihren Stamm identifiziert.

»Bringen wir sie doch einfach zu Katharina, die kann entscheiden«, sagte Nina. Karl nickte zustimmend. Oskar schaute missbilligend, aber sagte nichts.

Die vier Forscher folgten den drei einheimischen Ratten durch ein Ablaufgitter in die Kanalisation. Dort liefen die Einheimischen durch das Labyrinth mit sicherem Instinkt welcher Route zu folgen war. Dir Forscher folgten.

An einer Ecke wich Oskar plötzlich zurück nachdem er um die Ecke gesehen hatte und fletschte die Zähne. »Reginalds Leute«, sagte er.

Nina spähte um die Ecke und sagte: »Sie haben uns noch nicht gesehen, wir sollten einen anderen Weg nehmen.«

»Durch den Tunnel der Metalldünen und der Sturmgeister«, schlug Karl vor. Oskar schaute unglücklich drein. Er war dort nicht gerne.

»Ah, ja«, sagte Professor Murina. »Die Sturmgeister haben wir in anderen Teilen der Stadt bereits getroffen. Sie leben in den dunklen langgezogenen Höhlen mit den langen metallenen Erhabenen die sich schnurgerade in beide Richtungen ausbreiten. Sehr interessant. Sie können gefährlich sein, aber wenn man etwas aufpasst passiert nichts.«

Nina nickte und zeigte den Weg. Oskar folgte unwillig als Letzter.

Der Tunnel war lang. Kurt wusste dass in der einen Richtung sich der Tunnel in einen größeren Bereich mit vielen zweibeinigen Riesen öffnete. In der anderen Richtung wusste er es nicht so genau was kam, er war nie so weit gegangen. Er hatte aber gehört auf der anderen Seite war ebenfalls so ein Bereich.

Sie mussten vier der Metallerhebungen überwinden um auf die andere Seite des Tunnels zu gelangen und dort weiterzukommen. Karl half der weiblichen Forscherin die an der Spitze der Gruppe gegangen war der verletzten Ratte über die Metallerhebungen zu helfen. Auf der anderen Seite liefen sie eine Weile parallel zu den Metallsträngen.

Plötzlich rumpelte es und am Ende des Tunnels wurde es heller. Die Ratten wussten alle was kam. Sie pressten sich an den Rand des Tunnels und hielten sich fest. Ein Sturmgeist kam um die Ecke geschossen. Er wirbelte die Luft im Tunnel durcheinander und veranstaltete einen Höllenlärm. Der Körper des Sturmgeistes war langgezogen wie der Tunnel und strahlte Licht aus. Die Luftwirbel rüttelten an Karl während der Körper des Geistes an ihm vorbeizog, nicht zu enden scheinend.

Karl wusste, dass man durch die Luft geschleudert werden konnte wenn der Luftzug einen zu stark packte. Und manchmal schluckte der Sturmgeist solche Ratten und spuckte sie eine große Strecke später wieder aus: tot und mit zerschmettertem Körper. Oskars Unwohlsein war schon nicht ganz unbegründet.

Aber wie immer war der Sturmgeist irgendwo zu Ende und der Wind im Tunnel legte sich. Die Ratten gingen weiter und fanden den Zugang zum anderen Höhlensystem, ohne dass weitere Sturmgeister sie belästigten.

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Karl rekapitulierte während er einschlief den Tag. Sie waren nach den Sturmgeistern sicher beim Hauptsitz des Stamms angekommen. Die Professorin und die andere weibliche Forscherin (Amelia war ihr Name) hatten bei Katharina vorgesprochen. Paul - so hieß die verletzte Ratte - wurde von einem Doktor begutachtet. Kurt hatte sich mit Arthur unterhalten. So hieß die vierte Ratte unter den Forschern.

Tatsächlich war es interessant gewesen. Arthur hatte erzählt, was sie alles schon gesehen hatten. Einen riesigen Platz mit steinernem Boden. Einen kleinen Teich in dessen Mitte Wasser nach oben sprudelte. Einen sandigen Platz mit diversen metallenen und hölzernen Vorrichtungen auf denen zweibeinige Riesen und kleinere zweibeinige Riesen waren - vielleicht ihre Jungen. Murinas Forscher hatten schon vieles in der Stadt gesehen. Aber sie zogen immer weiter, um noch mehr zu entdecken.

Das alles hörte sich so viel interessanter an, als Karls Leben hier beim Stamm.

Katharina hatte zugestimmt die Forscher für einige Tage aufzunehmen, bis es Paul besser ging. Karl würde sicher noch einige interessante Unterhaltungen führen.

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Karl führte die vier Forscher zum Rand des Gebiets ihres Stammes. Paul hatte sich über die letzten Tage erholt. Es gab immer mehr Zusammenstöße mit Reginalds Ratten. Professor Murina erklärte das mit Nahrungsknappheit.

Die Forscher wollten nun weiter, in die Richtung entgegengesetzt zu Reginalds Gebiet. Dort war eine große Fläche von Gras und Bäumen mit einzelnen grasfreien Bändern. An sonnigen Tagen gab es dort viele zweibeinige Riesen. Aber an regnerischen Abenden war die Wahrscheinlichkeit dort einen anzutreffen gering. Am Ende dieses Grasgebietes war Wasser, aber ein Weg aus Holz führte darüber. Karl wusste nicht was dahinter war. Dorthin brachen die Forscher auf.

Sie überquerten eine der schwarzen Flächen auf denen immer die auf Rädern rollenden Kästen herumsausten. Jetzt passierte dort auch wenig, und die Kästen kündigten sich bei untergehender Sonne und dem Regen mit Lichtern an, so dass man sie leicht vermeiden konnte.

Das Gebiet mit dem Gras und den Bäumen war von metallenen Stäben umsäumt, durch die man leicht schlüpfen konnte. Sie marschierten auf das Ende des Gebietes zu. Karl war in Gedanken versunken. Durch seinen Kopf wirbelten phantastische Bilder von dem was die Forscher erzählt hatten, was er aber nicht gesehen hatte. Ob es wirklich so aussah, wie er es jetzt in Gedanken abspulte wusste er nicht. Ohne die Gespräche mit den Forschern würde sein Leben jetzt wieder trister werden. Die Nahrungssuche und die Zusammenstöße mit Reginalds Ratten würden sein Leben ausmachen.

Sie erreichten das Ende des Grasgebietes, das Wasser. Die Forscher schauten vorsichtig ob auf dem Weg über das Wasser ein zweibeiniger Riese war. Aber der Weg war frei. Sie verabschiedeten sich und liefen los.

Karl sah ihnen hinterher.

»Kann ich mit Euch kommen?«, rief er ihnen hinterher.

Amelia drehte sich um: »Klar!«

Sie wartete während Karl hinterherrannte. Gemeinsam gingen sie weiter. Ins Unbekannte, in ein neues Leben für Karl.